Carbon ist zwar beliebt, aber er hat auch Nachteile. Kellys will nun mit dem innovativen Stahl-Carbon-Verbundwerkstoff Feather die Vorzüge von Carbon in den Rahmenbau integrieren – und dabei gleichzeitig einige Schwächen beseitigen. Wir haben das Kellys THEOS F90 E-Mountainbike mit Shimano EP8-Motor und 725-Wh-Akku getestet.

Kellys THEOS F90 | Shimano EP8/725 Wh | 180/170 mm (v/h)
23,24 kg in Größe L | | Hersteller-Website

Das Kellys THEOS haben wir euch bereits vor fast zwei Jahren angekündigt (Link), jetzt hat es auch endlich den weiten Weg von der Montage in der Slowakei bis zu uns geschafft. Mit dem THEOS – altgriechisch für „Gott“ – will Kellys sportliche Gravity-Fahrer ansprechen. Genauer: alle, die ein unverwüstliches E-MTB mit viel Federweg und Mullet-Setup für anspruchsvolle Strecken suchen, jedoch nicht auf carbontypische Eigenschaften wie einen leichten und durchdesignten Rahmen verzichten wollen.

Das Kellys THEOS F90 im Detail

Kellys setzt bei der THEOS-Plattform auf einen Shimano EP8-Motor mit einem 725-Wh-Akku im Unterrohr. Der Akku wird nach unten hin zusammen mit dem gut dimensionierten Unterfahrschutz entnommen, dafür wurde der Motor um ca. 45° nach oben rotiert in den Rahmen integriert. Umhüllt wird er von einem Rahmen, der durch seine Linienführung auf den ersten Blick wie ein Carbon-Rahmen wirkt. Als Material wird aber statt Carbon ein thermoplastischer Stahl-Carbon-Verbundwerkstoff aka Feather verwendet. Der Rahmen wurde in enger Zusammenarbeit mit dem belgischen Technologieunternehmen REIN4CED entwickelt. Die Besonderheit im Vergleich zu herkömmlichem Carbon ist, dass es durch feine Stahlfasern verstärkt wird. Das soll die Energie bei Stürzen gleichmäßiger und großflächiger verteilen und dadurch verhindern, dass sich Risse bilden oder Schichten voneinander lösen. Durch das Hinzufügen der Stahlfasern soll der Rahmen außerdem eine hohe Stoßfestigkeit bei gleichbleibendem Gewicht aufweisen. Trotz großem Akku und robuster Komponenten bringt das Bike in Größe L dank diesem Kunstgriff nur 23 kg auf die Waage. Damit ist es zwar kein Federgewicht, gehört aber zu den leichteren Ablegern seiner Art.

Der Rahmen der THEOS-Plattform wird aus einem thermoplastischen Stahl-Carbon-Verbundwerkstoff gefertigt, der auf den Namen Feather hört.
Der gut dimensionierte Unterfahrschutz versteckt den 725-Wh-Akku, den man nach unten entnehmen kann.
Angetrieben wird das Kellys THEOS F90 von einem Shimano EP8-Motor, der leicht nach oben rotiert in den Rahmen integriert wurde.

Der Rahmen besitzt eine sportliche Linienführung: Das Oberrohr mit parallel verbautem Dämpfer und asymmetrischer Dämpferaufnahme geht gerade in die Sitzstreben über und der Hinterbau wirkt wie eine Hinterradschwinge aus dem Motorrad-Segment. Die schöne Linienführung wird allerdings an der Front durch das unaufgeräumte Cockpit gestört. Denn bei den Kabeln ist die Integration nicht so gut gelungen wie beim restlichen Motorsystem: Die Leitungen der Bremse und der Sattelstütze führen direkt ins Steuerrohr. Von dort an laufen alle Leitungen clean in den Hauptrahmen, sind aber unzureichend geklemmt – die Gummiklemmungen rutschen aus ihren Halterungen. Durch die vielen Kabel ist das Cockpit überladen. Der Steuersatz von Acros mit integriertem Blocklock begrenzt den Lenkeinschlag und schützt das Oberrohr bei einem Sturz vor Beschädigungen durch Lenker und Gabel.

Durch die vielen losen Kabel und Leitungen wirkt das Cockpit unaufgeräumt.
Am Eingang in den Rahmen werden die Leitungen zwar von Gummihülsen geklemmt, diese rutschen aber aus der Halterung und erfüllen ihren Zweck nicht.

Die Ausstattung des Kellys THEOS F90 im Detail

Das Kellys THEOS F90 ist das Topmodell der Linie und kommt wie die komplette THEOS-Plattform mit gemischten Laufradgrößen von 29” an der Front und 27,5” am Heck. Für 8.999 € wechselt es den Besitzer. Seine Ausstattung kann sich sehen lassen: Das Fahrwerk besteht aus einem Mix aus FOX 38 Factory-Federgabel mit 180 mm Hub und RockShox Super Deluxe Ultimate-Dämpfer, der 170 mm Federweg am Heck freigibt. Die hochwertige GRIP2-Kartusche an der Federgabel lässt eine Einstellung von High- und Lowspeed-Zug- und -Druckstufe zu. Am Luftdämpfer kann man die Lowspeed-Zug- und -Druckstufe verstellen und ein zweistufiger Hebel ermöglicht einen Lockout für den Uphill, der den Hinterbau verhärtet. Der Griff zum Lockout-Hebel war beim Kellys nicht nötig. Ebenfalls aus dem Hause FOX stammt die Transfer Factory-Sattelstütze mit 150 mm Hub. In Serie soll eine 175-mm-Sattelstütze verbaut werden, die für mehr Bewegungsfreiheit bei abgesenktem Sattel sorgen soll.

Die GRIP2-Kartusche der FOX 38 Factory-Gabel kann man gut an seine individuellen Vorlieben anpassen.
Durch den zweistufigen Plattformhebel kann der Hinterbau verhärtet werden – wir haben die Plattformdämpfung aber nie genutzt.
Die Transfer-Sattelstütze an unserem Test-Bike hat lediglich 150 mm Hub und schränkt die Bewegungsfreiheit ein. In Serie soll ein Modell mit 175 mm Hub zum Einsatz kommen.

Für präzise Schaltvorgänge sorgt das elektrische Shimano XT-Di2-Schaltwerk mit einer 11–46T-Kassette – hier greift Kellys auf die etwas günstigere SLX-Variante mit 11 Gängen zurück. Verzögert wird mit der standfesten Shimano XT-Vierkolbenbremse, die mit 203 mm großen ICE-TECH-Bremsscheiben arbeitet. Die Bremspower wird durch die grob profilierten Schwalbe Magic Mary 2,4” an der Front und Hans Dampf 2,6” am Heck auf den Boden übertragen. Beide kommen in der Super Trail-Karkasse, zusätzlich bietet der Vorderreifen mit ADDIX Soft eine weichere Gummimischung für mehr Grip. Am Heck setzt Kellys auf eine härtere Mischung, für weniger Verschleiß und Rollwiderstand. Montiert sind die Reifen auf solide DT Swiss H1700 Hybrid-Laufräder aus Aluminium.

Das elektrische Shimano XT Di2-Schaltwerk sorgt in Kombination mit …
… dem Shimano XT-Di2-Schalthebel für präzise Gangwechsel.
Zuverlässig verzögert wird mit der Shimano XT-Vierkolbenbremse. Die Stopper wirken auf 203 mm große ICE-TECH-Bremsscheiben ein.
An der Front kommt der Magic Mary in der etwas weicheren ADDIX Soft-Gummimischung zum Einsatz.
Am Heck hingegen sorgt die härtere Gummimischung ADDIX Speedgrip am Hans Dampf für weniger Verschleiß und besseres Rollverhalten.

Kellys Theos F90

8.999 €

Ausstattung

Motor Shimano EP8 85 Nm
Akku KELLYS Re-Charge K1 725 Wh
Display Shimano SC-E7000
Federgabel FOX 38 Factory GRIP2 180 mm
Dämpfer RockShox Super Deluxe Ultimate 170 mm
Sattelstütze FOX Transfer Factory 150 mm
Bremsen Shimano XT8120 200/200 mm
Schaltung Shimano XT Di2 1x11
Vorbau Race Face Aeffect R35 50 mm
Lenker Race Face Aeffect R35 780 mm
Laufradsatz DT Swiss H1700 Hybrid 29"/27,5"
Reifen Schwalbe Magic Mary/Hans Dampf 2,6"/2,4"

Technische Daten

Größe M L
Gewicht 23,24 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 120 kg

Weitere Ausstattungsvarianten des Kellys THEOS

Die Modellpalette von Kellys umfasst insgesamt drei Varianten. Wir hatten das Topmodell THEOS F90 im Test. Wer nach einer günstigeren Alternative sucht, wird beim THEOS F70 für 7.299 € oder beim F50 für 5.499 € fündig. Den Mittelweg bestreitet das F70 mit einer sinnvollen Ausstattung aus Shimano XT-12-fach-Antrieb und RockShox ZEB Charger R sowie RockShox Coil Select R-Stahlfederdämpfer. Die Einstiegsvariante für Preisbewusste ist das F50, sie bietet mit 150 mm vorne und 140 mm hinten weniger Federweg als die anderen Modelle. Sie verfügt über eine weniger performante RockShox 35 Gold RL mit kaum Einstellmöglichkeiten und einen Shimano DEORE-10-fach-Antrieb.

Kellys THEOS F70 | Shimano EP8/725 Wh | 180/170 mm (v/h) | 7.299 €
Kellys THEOS F50 | Shimano EP8/725 Wh | 150/140 mm (v/h) | 5.499 €

Die Geometrie des Kellys THEOS F90

Das Kellys THEOS F90 ist nur in den zwei Größen M und L verfügbar und deckt damit Fahrergrößen von 168 bis 200 cm ab. Durch den relativ steilen Sitzwinkel von 76° wird man zentral im Rad positioniert. Das 430 mm kurze Sattelrohr in Rahmengröße L lässt in der Theorie viel Bewegungsfreiheit vermuten. In der Praxis konnte man sich auf unserem Test-Bike allerdings nur eingeschränkt bewegen durch die verbaute Sattelstütze mit 150 mm Hub. In Serie soll dieser Fehler behoben sein. Die Kettenstreben fallen mit 459 mm etwas lang aus für ein Bike mit kleinerem 27,5”-Hinterrad, wirken sich aber nicht negativ auf das Fahrverhalten auf dem Trail aus.

Größe M L
Oberrohr 617 mm 643 mm
Sattelrohr 400 mm 430 mm
Steuerrohr 105 mm 120 mm
Lenkwinkel 64,5° 64,5°
Sitzwinkel 76° 76°
Kettenstrebe 459 mm 459 mm
Tretlagerabsenkung 12 mm 12 mm
Radstand 1.269 mm 1.298 mm
Reach 463 mm 482 mm
Stack 619 mm 638 mm
Helm Sweet Protection Trailblazer | Brille Melon Kingpin | Rucksack USWE Flow | Shirt Deus Ex Machina Saber | Shorts ION Traze | Knieschoner ION K-Pact Zip | Schuhe Five Ten Kestrel Lace

Das Kellys THEOS F90 auf dem Trail

Das Kellys THEOS F90 bietet eine ordentliche Portion Tourenkomfort, man sitzt aufrecht und angenehm im Sattel und es lastet kaum Gewicht auf den Händen. Im Uphill glänzt das Bike mit anständigen Klettereigenschaften und das Vorderrad muss an steilen Anstiegen nicht aktiv belastet werden, um es am Steigen zu hindern. Wird der Pfad etwas rauer, schluckt der Hinterbau im offenen Modus Unebenheiten verlässlich weg und bietet ausreichend Traktion.

Ändert sich das Gefälle von Uphill zu Downhill, steht man gut integriert im Bike. Dank der gelungenen Gewichtsverteilung zwischen Front und Heck hat man auch in offenen Kurven mit losem Untergrund immer genug Grip. Wird es enger, lassen sich schnelle Richtungswechsel problemlos vollziehen, denn das Bike setzt Lenkimpulse direkt um. Das Fahrwerk des Kellys bietet genügend Gegenhalt, um an Kanten leicht in die Luft zu gehen. Das unterstreicht seinen agilen Charakter. Dennoch bietet es genug Laufruhe, um auch in verblocktem Terrain sauber die Spur zu halten. Wird man von einem plötzlichen Gegenanstieg überrascht und muss schnell einen Gang runterschalten, greift man allerdings oft ins Leere, da sich der Schalthebel nicht nah genug am Griff montieren lässt. In steilem Terrain wird außerdem die Bewegungsfreiheit durch den kurzen Hub der Sattelstütze eingeschränkt. Der Rahmen aus dem innovativen Feather-Material hat sich während unseres Tests auffällig unauffällig verhalten: Er hat alle Strapazen mühelos mitgemacht und steht nach mehreren ausgedehnten Testrunden immer noch gut da. Ob er unter extremen Belastungen wie bei einem Sturz im Steinfeld ohne Schäden davonkommt, können wir nicht sagen – dazu ist es während unseres Tests zum Glück nicht gekommen.

Unser Fazit zum Kellys THEOS F90

Das Kellys THEOS Theos F90 punktet mit einer angenehmen Sitzposition, die auch ausgedehnte Trail-Touren zulässt. Geht es bergab, glänzt es mit agilem Handling und bringt dennoch viel Laufruhe mit. Durch die gute Gewichtsverteilung hat man in Kurven ausreichend Grip. Das Team von Kellys hat aus dem Feather-Material einen optischen Hingucker geformt. Ob der Stahl-Carbon-Verbundwerkstoff wirklich so innovativ ist wie behauptet, muss allerdings ein Dauertest beweisen.

Tops

  • innovativer Rahmen
  • gut ausbalanciert
  • aufrechte Sitzposition

Flops

  • nur zwei Rahmengrößen

Mehr Informationen findet ihr unter kellysbike.com.


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Words: Mike Hunger Photos: Robin Schmitt

Über den Autor

Mike Hunger

Von Slopestyle und Landschaftsfotografie, hin zu Enduro und Actionfotografie. Mike probiert gerne neue Dinge aus und hat eine Vorliebe für Action. Und Handwerk: So zieht es ihn mit seinem Syncro-Van, den er selbst restauriert und umgebaut hat, regelmäßig auf verschiedenste Roadtrips. Natürlich immer mit dabei ist sein Bike und seine Kamera, um die feinsten Trails von Italien bis in die Alpen unter die Stollen zu nehmen und die schönsten Momente festzuhalten. Durch seine Ausbildung als Industriemechaniker, seiner Erfahrung aus dem Radsport und seinen Foto-Skills kann er das Know-How perfekt in den journalistischen Alltag umsetzen und testet jetzt als Redakteur die neuesten Bikes und Parts. Als “Foto-Nerd” hält er außerdem die Tests fotografisch fest und sorgt im Magazin für geiles Bildmaterial.