Das BMC Roadmachine AMP ONE 2023 ist das erste reinrassige E-Rennrad der Schweizer Zweiradschmiede. Es soll nicht nur aussehen wie dasie originale Roadmachine, sondern sich auch so fahren. Aber bleibt die Integration eines Elektromotors wirklich ohne Folgen für Handling und Fahrgefühl? Wir haben es in unserem Test herausgefunden.

BMC Roadmachine AMP ONE 2023 | 7.999 € | 12,1 kg in Größe 56 | Hersteller Website

Auch BMC erkennt die Zeichen der Zeit und weiß sie nicht nur zu deuten, sondern setzt sie in die Tat um. Die Schweizer haben mit der Roadmachine AMP ONE 2023 ihr erstes echtes Rennrad mit Elektromotor an den Start gebracht. Andere Hersteller haben das zwar schon eher umgesetzt, dafür will BMC jetzt mit der Roadmachine AMP ONE 2023 gleich alles richtig machen. Laut eigener Aussage soll sich der elektrische Bruder genauso fahren wie die originale BMC Roadmachine. Ein großes Ziel, das in keinem Fall einfach zu erreichen ist. Oder doch?

Wir waren mit dem neuen BMC Roadmachine AMP ONE auf Pässejagd in den Alpen.

Die Maschine in der BMC Roadmachine AMP ONE 2023: MAHLE X20

Bei E-Rennrädern werden aktuell hauptsächlich zwei verschiedene Systeme eingesetzt. Zum einen gibt es Varianten mit Mittelmotor wie das Trek Domane+ SLR und zum anderen, wie bei der BMC Roadmachine AMP ONE 2023, Hinterradmotoren, bei denen der Antrieb in der Hinterradnabe steckt. Das X20-Antriebssystem von MAHLE unterstützt die BMC Roadmachine AMP ONE mit bis zu 23 Nm Drehmoment, das reine Systemgewicht soll dabei nur 3,2 kg wiegen. Ein Range Extender mit 172 Wh in Größe einer Trinkflasche, die in den Flaschenhalter eingesetzt wird, erweitert zudem die Reichweite. Laut MAHLE ist es aktuell das leichteste E-Bike-System auf dem Markt. Das Besondere ist außerdem, dass das gesamte Antriebssystem vollständig integriert ist. Das heißt, der Akku steckt im Carbon-Rahmen, ebenso die Verkabelung und die Bedieneinheit. Der Hinterrad-Ausbau soll sich durch die integrierte Kontaktstelle an der Kettenstrebe besonders einfach gestalten. Ein aufwendiges Rumgefummel an irgendwelchen Kabeln soll dadurch obsolet werden.

Der MAHLE X20-Heckmotor ist optisch unscheinbar und auch das gesamte System fällt mit 3,2 kg wenig ins Gewicht.

Smart will nicht nur die Integration des Akkus, sondern auch der Akku selbst sein. Mithilfe des Bordcomputers kann er von den durchgeführten Rides lernen – ein Algorithmus soll ein auf den Fahrer abgestimmtes, individualisierbares Fahrerlebnis ermöglichen. Das soll helfen, die Akkulaufzeit deutlich zu erhöhen, in dem die künstliche Intelligenz bei Bedarf mehr oder weniger Kraft bereitstellt. Und auch in Sachen Connectivity bietet das MAHLE X20-Antriebssystem eine Lösung an. Die „My SmartBike“ App weist einige praktische Funktionen auf. Dazu zählen die üblichen Routen-Aufzeichnungs-Features, aber auch die Herzfrequenzmessung (mit passendem Zubehör) und die Standortsuche des Bikes.

Kantige Rohre sprechen beim BMC Roadmachine AMP ONE 2023 eine moderne Designsprache.
Das E-Rennrad ist damit in guter Gesellschaft – wir sind nämlich mit einem E-Auto-Testwagen für unser Schwestermagazin DOWNTOWN in die Alpen geflitzt.

Features und Design der BMC Roadmachine AMP ONE 2023

TCC-Technologie heißt in der langen Version Tuned Compliance Concept und will an der BMC Roadmachine AMP ONE 2023 für mehr Komfort und Langstreckentauglichkeit sorgen. Funktionieren soll das mithilfe eines Systems aus vertikaler Nachgiebigkeit bei gleichzeitiger Seitensteifigkeit. Auch die D-Shape-Sattelstütze verspricht, durch ihre Form mit minimalem Flex für mehr Langstrecken-Komfort zu sorgen. Da aber auch die Reifenbreite einen entscheidenden Einfluss auf den Komfort hat, passen Reifen bis zu einer Breite von 33 mm in den Rahmen – an unserem Test-Bike waren aber die recht schmalen 28-mm-Reifen Vittoria Rubino Pro verbaut. Hier hätten wir uns ein Upsizing gewünscht, das zum Mehrgewicht der elektrifizierten Roadmachine passt.

Tut schon beim Hingucken weh: Der Lack kann mit dieser Kabelverlegung Schaden nehmen.

In Sachen Formsprache geht die BMC Roadmachine AMP ONE 2023 einen modernen Weg. Kantige Rohre und die charakteristisch tief ansetzenden Sitzstreben bestimmen das Gesamtbild und sorgen für einen coolen Look. BMC spricht sogar von einer „legendären Silhouette“. Die Integration der Kabel wirkt hingegen leider halbherzig. Vorn springt das Kabel lose in die Gabel und reibt am Rahmen, während es auf dem Weg nach hinten umständlich in das Unterrohr geführt wird. Auch die farbigen Tanwalls wirken mit der Lackierung des Rahmens irgendwie nicht so richtig stimmig. Das gilt für alle drei verfügbaren Anstriche. Optisch gut integriert ist hingegen der Akku im Unterrohr. Dort passen die Proportionen zum Rest des Rahmens und es fällt so gut wie nicht auf, dass es sich um ein E-Rennrad handelt. Die Decals matchen ebenfalls hervorragend.

Head to Head – Roadmachine AMP ONE vs. analoge Roadmachine

BMC gibt beim Vergleich der Roadmachine AMP ONE mit der stromlosen Variante Roadmachine den Tonus selbst vor. Beide Modelle sollen gleich aussehen und sich beim Fahren gleich anfühlen. Zumindest was die Optik angeht, lässt sich dann aber der Akku im direkten Vergleich nicht ganz verbergen. Das Unterrohr ist bei der Roadmachine AMP ONE voluminöser als bei der unterstützungsfreien Variante. Außerdem fehlt Letzterer natürlich das Bedienelement im Oberrohr. Abgesehen davon gleichen sich die beiden Maschinen allerdings tatsächlich in Sachen Design, Rohrformen und Kabelverlegung. Die maximale Reifenbreite von 33 mm vereint ebenfalls beide Maschinen und will sie neben der Endurance-Ausrichtung auch für schlechten Teer und mehr wappnen. Für die Kategorie Allroad-Bike reicht das, wenn überhaupt, nur knapp.

Bergauf: Easy!
Bergab: Speedy!

Hat der Akku auch Einfluss auf die Geometriedaten der BMC Roadmachine AMP ONE genommen? Nein, in keiner Weise. Die Geometriedaten gleichen sich bis aufs Haar. Auswirkungen haben Akku und Heckantrieb aber natürlich auf das Gewicht bzw. die Gewichtsverteilung – und damit auf das Handling, wie ihr im Fahreindruck später lesen werdet. Da können auch die identischen Geo-Daten nichts ändern. Allein der Rahmen wiegt bei der Roadmachine AMP ONE in Größe 54 cm schon 184 g mehr. Insgesamt unterscheidet sich das Gewicht der beiden Modelle bei gleicher Ausstattungsvariante rund 4,5 kg. Auch beim Spektrum der angebotenen Ausstattungspakete ist eine große Lücke zu erkennen. Den drei Ausstattungsvarianten der Roadmachine AMP ONE-Serie stehen theoretisch 21 unterschiedliche Modifikationen der klassischen Roadmachine gegenüber.

Da steckt eine ganze Menge Power drin: Die 350 Wh sieht man der BMC Roadmachine AMP ONE 2023 gar nicht unbedingt an.

Ausstattung und Geometrie der BMC Roadmachine AMP ONE 2023

Die drei Ausstattungsoptionen gliedern sich in Wertsprünge über 1.000 €. Der Einstieg in die elektrische Roadmachine-Welt ist mit der BMC Roadmachine AMP THREE für 5.999 € zu haben. Dafür gibt es eine mechanische Shimano 105er-Schaltung mit hydraulischen Scheibenbremsen sowie einen Alu-Laufradsatz. Für 1.000 € mehr wird dann bei der BMC Roadmachine AMP TWO durch die SRAM Rival eTap AXS-Gruppe elektronisch geschaltet und immer noch hydraulisch gebremst sowie auf Alu-Felgen gerollt. Die oberste und von uns getestete Ausstattungsvariante liegt bei 7.999 € und bietet mit der SRAM Force eTap AXS-Schaltung eine bessere elektronische Schalt-Performance, hydraulische Scheibenbremsen und Carbon-Laufräder. Jede Ausstattungsvariante hat ihr eigenes Farbschema und ist in 6 Rahmengrößen verfügbar.

BMC Roadmachine AMP ONE 2023

7.999 €

Ausstattung

Motor MAHLE X20 23 Nm
Batterie MAHLE iX350 350 Wh
Sattelstütze Roadmachine AMP Premium Carbon D-Shaped
Bremsen SRAM Force eTap AXS HRD 160/160 mm
Schaltung SRAM Force eTap AXS 2 x 12
Vorbau BMC ICS1 110 mm
Lenker BMC RAB 02 Ergo Top Shape mit Compact Bend 420 mm
Laufräder CRD-321 Carbon Tubeless Ready
Reifen Vittoria Rubino Pro 28 mm 700C
Kurbeln SRAM Force AXS 172,5 mm
Kassette SRAM Force XG-1270 11–36

Technische Daten

Größe 47 50 52 54 56 58 60 62
Gewicht 12,1 kg

Die aktuell beste Ausstattung der Roadmachine AMP 2023 hat „nur“ eine SRAM Force eTap AXS.
Die hydraulischen Scheibenbremsen kommen ebenfalls aus der SRAM Force eTap AXS-Serie.
Steiles Stück und Knackpunkt am Endurance-Konzept: Ein Vorbau mit negativem Winkel bringt keine Komfortpunkte. Das semi-integrierte Cockpit würde neben der coolen Optik auch noch an Funktion gewinnen, wenn die Kabel innen verlaufen würden.

Bei der Geo der Roadmachine AMP ONE geizt BMC nicht mit Superlativen, die Schweizer sprechen hier von einer berühmten Geometrie. Aber berühmt wofür? Die Daten zeugen zumindest mit einer Stack to Reach-Ratio von 1,50 für eine sehr ausgeglichene Sitzposition. Einzig der mit -12,5˚ stark abfallende Vorbau passt nicht so richtig ins Konzept eines Endurance-Bikes, denn das verschärft die Sitzposition deutlich in Richtung Racing.

Größe 47 51 54 56 58 61
Sattelrohr 420 mm 457 mm 500 mm 522 mm 539 mm 573 mm
Oberrohr 522 mm 532 mm 546 mm 556 mm 568 mm 583 mm
Steuerrohr 112 mm 139 mm 156 mm 181 mm 206 mm 242 mm
Lenkwinkel 71,2° 71,2° 72° 72° 72° 72°
Sitzwinkel 74,2° 74,2° 74,2° 74,2° 74,2° 74,2°
Kettenstrebe 410 mm 410 mm 410 mm 410 mm 410 mm 410 mm
Radstand 982 mm 999 mm 997 mm 1.008 mm 1.020 mm 1.035 mm
Reach 374 mm 382 mm 386 mm 390 mm 394 mm 398 mm
Stack 516 mm 541 mm 562 mm 586 mm 610 mm 644 mm
Vorbaulänge 90 mm 90 mm 100 mm 110 mm 110 mm 120 mm
Lenkerbreite 400 mm 420 mm 420 mm 420 mm 420 mm 440 mm
Kurbellänge 170 mm 170 mm 172,5 mm 172,5 mm 175 mm 175 mm
Laufradgröße 700C 700C 700C 700C 700C 700C
Die BMC Roadmachine AMP ONE 2023 versprüht trotz ausgeglichener Geometrie eher Race-Feeling statt Langstrecken-Flair, was unserer Meinung nach nur am Vorbau liegen kann.

Die BMC Roadmachine AMP ONE 2023 im Test

„The time has come to push the button“ wussten auch schon The Chemical Brothers im Super-Hit Galvanize, und das gilt ebenfalls für den Start des Antriebs der BMC Roadmachine AMP ONE 2023. Mit einem ausdauernden Knopfdruck auf dem Oberrohr ist die Unterstützung aktiviert und mittels farblicher LED-Leiste angezeigt. Vier verschiedene Farben stehen für vier verschiedene Unterstützungsmodi, in aufsteigender Schub-Reihenfolge: Weiß (keine Unterstützung), Grün, Rot und Lila. Außerdem zeigt der Balken den Ladestand des Akkus an. Mehr Informationen lassen sich der Kontrolleinheit aber nicht entlocken, dafür muss die BMC Roadmachine AMP ONE 2023 mit der My SmartBike App verbunden sein. 140 Kilometern und bis zu 3.000 Höhenmetern soll laut Hersteller eine Akkuladung ermöglichen, bei uns wurde es schon nach 62 km und 1.750 Höhenmetern mit der höchsten Unterstützungsstufe und einem Testfahrergewicht von rund 80 kg eng. Mehr eigene Leistung und eine niedrigere Unterstützungsstufe bringen natürlich mehr Reichweite – dennoch klingen die 140 km schon sehr ambitioniert.

Turn me on! Die simple, aber durchaus ausreichende Bedieneinheit ist schön im Oberrohr der BMC Roadmachine AMP ONE 2023 integriert und bringt die wichtigsten Funktionen mit.
Der Anschluss für den Power-Nachschub ist gut erreichbar und gut platziert.

Die Sitzposition fühlt sich direkt von Beginn sehr sportlich an. Man muss schon ganz schön weit nach vorne langen, um die Hände an die Hoods zu legen. Richtiges Endurance-Feeling kommt so in jedem Fall nicht auf. Da die Geometrie-Daten eigentlich für eine recht angenehme Haltung sprechen, muss die weite Streckung von dem Vorbau kommen, der mit -12,5° deutlich abfallend ist. Das ergibt einen Widerspruch in der Einordnung des Einsatzzwecks Endurance, aber auch für das Konzept E-Rennrad allgemein. Denn diese Sitzhaltung ist wohl kaum für einen Großteil der Zielgruppe geeignet – egal ob Einsteiger oder Roadies, die etwas Rückenwind an Anstiegen wünschen. Auch das restliche Fahrverhalten ist nichts für (E-)Rennrad-Greenhorns. Das agile Fahrgefühl, das man mit der BMC Roadmachine AMP ONE 2023 bekommt, macht Spaß, wenn man damit umgehen kann. Die E-Maschine reagiert sensibel auf äußere Einflüsse wie schlechte Straßen und brüchigen Asphalt – hier wären noch breitere und voluminösere Reifen von Vorteil, die für mehr Souveränität und vor allem auch mehr Komfort sorgen. Denn der Rahmen bietet trotz TCC-Technologie wenig Compliance und wirkt recht steif.

Mach dich lang! Für Newbie-Roadies oder Langstreckenkämpfer, die etwas mehr Support und Komfort wünschen, ist die Sitzposition in jedem Fall nicht optimal – aber ist das nicht die Zielgruppe der BMC Roadmachine AMP ONE 2023?

Tuning-Tipps: Vorbau mit größerem Winkel für mehr Langstreckentauglichkeit & voluminösere Reifen für mehr Komfort

Richtig rund läuft dafür die Unterstützung der MAHLE X20-Einheit. Sie greift weniger aggressiv ins Fahrgeschehen ein und liefert damit eine geschmeidige Antriebshilfe in allen Stufen. Nur an den langen Schub-Nachlauf muss man sich gewöhnen. Durch den Hinterradnabenmotor wirkt die BMC Roadmachine AMP ONE 2023 insgesamt hecklastig, was besonders bei schnellen Richtungswechseln auffällt. Auch hier hilft die Routine, damit umzugehen. Ganz im Gegenteil dazu steht der Hinterradausbau im Falle eines Plattfußes o.ä. Die Verbindung zwischen Antriebseinheit und Energieversorgung am Ausfallende gelingt so einfach und intuitiv, wie sich das für ein modernes E-Rennrad gehört. Ein Steckkontakt an der Nabe wird einfach in den passenden Anschluss am Rahmen gesteckt. As easy as pie!

Der Ausbau und damit das Lösen der Verbindung zwischen Antrieb und Energiezufuhr sind kinderleicht. Auch der Wiedereinbau funktioniert einfach.

Fazit

Tatsächlich kommt das BMC Roadmachine AMP ONE 2023 seinem stromfreien Pendant in Sachen Optik sehr nahe, wobei die Kabelführung auch weiterhin nicht gefällt. Als Endurance E-Rennrad für Einsteiger oder Langstreckenkämpfer auf der Suche nach „Erleichterung“ kann es leider kaum punkten. Dafür bietet es zu wenig Komfort, eine zu gestreckte Sitzposition und zu wenig Souveränität im Handling. Pluspunkte sammelt die BMC-Maschine dann aber durch den sauber integrierten Motor und den einfachen Hinterradausbau. Ob es den dynamischen und erfahrenen Roadie gibt, der extra Schub benötigt, muss jede(r) selbst wissen.

Tops

  • stimmige Designsprache und Proportionen
  • Hinterradausbau easy
  • Unterstützung durch MAHLE-Motor smooth und kraftvoll zugleich

Flops

  • Kabelführung
  • Sitzposition zu gestreckt, zu schmale Reifen – dadurch wenig Komfort
  • nicht ganz stimmige Farbkombi aus Tanwalls und Lackierung

​​Weitere Informationen zumr BMC Roadmachine AMP ONE 2023 gibt es unter bmc-switzerland.com.


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Text: Martin Staffa Fotos: Mike Hunger